Grundlagen und Atmung Teil I
Es kann sehr inspirierend für einen selbst sein, wenn man einem Vorbild – also einem sehr guten Bläser – nacheifert, allerdings kann dies ebenso auch sehr frustrierend sein. Um ein möglichst positives Erlebnis mit seiner Trompe zu erzielen, sollte man zunächst eine Art „Standortbestimmung“ durchführen. Um das tun zu können, muss einem erst einmal klar werden, welche Voraussetzungen man selbst für das Blasen der Trompe mitbringt oder eben auch nicht mitbringt!
Aus diesem Grund beschäftigen wir uns zuerst mit der Frage:
„Haben alle Bläser dieselbe Voraussetzung?“
Diese Frage muss mit einem klaren NEIN beantwortet werden. Nicht nur eigene Eindrücke werden das bestätigen, sondern vor allem wissenschaftliche Abhandlungen (z.B. auf den Seiten über Sportmedizin der Sporthochschule Köln, Quellenangaben im Folgenden verlinkt).
Zusammengefasst könnte man sagen, dass „… Mädchen und Jungen im Kindesalter und Frauen und Männer ab dem 60. Lebensjahr über vergleichbare körperliche Kräfte verfügen.
Unterschiede in der Trainierbarkeit der einzelnen Muskelgruppen bestehen vornehmlich im Alter zwischen 16 Jahren und 40 Jahren. Im Kindesalter sowie ab etwa dem 60. Lebensjahr bestehen sie noch nicht bzw. nur noch geringfügig. (Quelle Nr. 2)
Zum Beispiel praktizieren Männer von Natur aus eine Bauchatmung, Frauen
hingegen eine Brustatmung.
Der wohl grösste Unterschied liegt im Lungenvolumen:
Während Männer in der Regel ein Lungenvolumen von 6,5 bis 7 Litern haben (was bei Extremsportlern auf bis zu 10 Liter anwachsen kann), haben Frauen ein durchschnittliches Lungenvolumen von 4,5 bis 5 Litern, also ca. 30% weniger als die Herren. (Quelle Nr. 1)“
Marion: „Diese Erfahrung habe ich selbst schon gemacht. Auf einem Concours in Frankreich bot der Trompe-Hersteller Perinet an, das eigene Lungenvolumen mit einem Spirometer zu ermitteln. Mein guter Freund Klaus Tessmann machte den Test zuerst. Ergebnis: 6,7 Liter. Ich dachte mir, das schaff ich ebenfalls locker, ich bin ja gut trainiert. Mein Ergebnis: 3,8 Liter. Hmmm??! Das gab mir sehr zu denken. Ist das normal bei Klaus und/oder bei mir?“
Das Ergebnis stellte sich als völlig korrekt dar. Das ist die Realität!
Frauen und Männer haben also unterschiedliche Voraussetzungen für die Trompe, erst mit rund 60 Jahren sind unsere körperlichen Kräfte dann wieder verhältnismässig gleich. Es ist folglich eine Tatsache, dass Frauen
einen etwas ‚anderen’ Weg gehen müssen, um diesen Unterschied möglichst klein zu halten oder zu überbrücken und zwar vor allem in der Zeit vom ca. 16ten bis 60sten Lebensjahr. Dieselben Anforderungen müssen auch Kinder und Bläser ab dem 60sten Lebensjahr überwinden!!!
Wie man dies machen kann, darauf gehen wir in den nächsten Abschnitten und in Blog ‚Atmung Teil 2’ genauer ein.
Tatsache ist, dass es bis heute noch niemals eine Frau zum Champion de France oder International geschafft hat – übrigens, auch kein Kind oder Männer über 60 Jahre!
Da es allerdings nur sehr wenige weibliche Moniteure gibt, ist es nicht verwunderlich, dass diese Unterschiede quasi nie thematisiert und vielleicht auch nicht gekannt wurden.
Ebenso gehen die Moniteure – oder Mitbläser bzw. Übungsleiter in einer Gruppe – meist nicht genug auf die fehlende Kraft bei Kindern oder bei den Senioren ein. Im Gegenteil, wenn die Senioren registrieren, dass ihre Kräfte langsam nachlassen, verlassen sie in der Gruppe meist ihre vorderen Plätze und stellen sich ganz nach hinten. Die Folge ist, dass ihre Kräfte noch schneller nachlassen. Viel besser wäre es, gerade jetzt mehr zu trainieren und von den Mitbläsern weiterhin als vollwertiger Bläser angesehen und unterstützt zu werden. Die Kinder – auch, wenn sie noch nicht so perfekt blasen – sollte man immer mal wieder einen Platz nach VORNE in der Gruppe weiterreichen. Sie passen sich sehr schnell an, weil sie sehr gut nach Gehör lernen. Kleiner Trick: man kann ein noch unsicheres Kind so platzieren, dass es auf den Bauch des Hintermannes bläst. So hört man hinter der Gruppe weniger schräge Töne, der Hintermann kann gegebenenfalls auf die Fehler reagieren, also dem Kind Hilfestellung geben, und das Wichtigste, das Kind ist sehr motiviert!!!
Marion: „So ist es für mich meist unmöglich gewesen, ein langes Finale zu blasen, wenn ich mich an die Vorgaben und Blastechniken der männlichen Trompebläser gehalten habe. Im Gegenteil, wenn ich versuchte, ihre Technik genau so, wie sie es machten, anzuwenden, dann machte ich Rückschritte. Das war sehr frustrierend! Nur wenige Moniteure gingen damals diese Technik etwas anders an und erkannten, dass ich damit nicht zurecht kam. Deshalb ist es so wichtig, genau zu wissen, wo man sich bläserisch befindet, wie und ob man dies ausgleichen kann und wieviel Zeit man bereit ist bzw. zur Verfügung hat, um daran zu arbeiten. Das erfordert eine Menge Selbstkontrolle – also ständige Ton-Aufnahmen dessen, was man geblasen hat und eine permanente Beobachtung von sich selbst vor einem großen Spiegel.“
Hier noch ein paar Fakten zu den Muskeln und deren Trainierbarkeit laut der Sporthochschule Köln:
„Muskelkraft: Die absolute Muskelkraft pro cm² Muskelquerschnitt variiert auf Grund des höheren Anteils an eingelagertem Fettgewebe zwischen den Geschlechtern…Relativ gesehen kann der Muskelquerschnitt von Männern bis 20% größer sein als der von Frauen. Der Muskelquerschnitt hat starken Einfluss auf die Muskelkraft. Daher hat die Frau, bedingt durch die geringere Muskelmasse und den höheren Fettanteil, auch eine niedrigere Maximalkraft als der Mann. Je nach Muskelgruppe beträgt die Maximalkraft der Frau zwischen 54% und 80% der Kraft des Mannes. Die Unterschiede zwischen Frau und Mann sind in Bezug auf die im Alltag stärker beanspruchten Muskelgruppen größer als bei weniger beanspruchten Muskelgruppen. (Quelle Nr. 2)
Trainierbarkeit: Die Unterschiede in Muskelaufbau und Muskelkraft lassen Rückschlüsse auf eine graduell unterschiedliche Trainierbarkeit der Muskulatur zu, welche jedoch nur bezüglich einzelner Muskelgruppen und nicht generell besteht. Muskelgruppen, die überwiegend dynamische Bewegungsaufgaben ausführen, weisen eine geschlechtsspezifische Differenz hinsichtlich der Größe der Trainierbarkeit auf. Bei überwiegend statisch arbeitenden Muskelgruppen, wie etwa der Bauch- und Rumpfmuskulatur, ist die Trainierbarkeit bei beiden Geschlechtern identisch. (Quelle Nr. 2)“
Marion: „So fragte ich mich, wie kann ich diese unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen ausgleichen?
Ich musste eine Technik entwickeln, die mich mit 30% weniger Luft auskommen liess.“
Das heisst, die Atmung sollte möglichst bis aufs Maximum ausgedehnt werden und die Muskeln müssen die Luft wieder so kontrolliert wie möglich herausgeben, um bis zu einem langen Finale in jeder Phrase (zusammenhängend geblasene Strophe beispielsweise einer Fanfare) zu gelangen.
Um das zu erreichen, braucht man quasi die komplette Muskulatur vom unterem Rumpf bis zum Kopf.
Als Schüler bekam man erklärt, wie und auch wie stark man die einzelnen Muskeln anspannt.
Wichtig ist auch die Halsmuskulatur, die von vielen Bläsern außer Acht gelassen wird und die selten thematisiert wurde. Die wenigsten Bläser können gezielt ihre Halsmuskulatur anspannen.
Die Konzentration auf das Anspannen einzelner Muskelpartien hat fast immer Verkrampfungen und Schmerzen in dem entsprechenden Bereich zur Folge – im Rücken, im Bauch, im Kopf, in der Schulter….
Marion: „Ich fragte mich, wie kann ich nun diese einzelnen Muskelgruppen gezielt ansprechen, ohne dass der Körper verkrampft? Ich habe viel ausprobiert und eine Übung entdeckt, bei der man, ohne nachzudenken, automatisch exakt die richtigen Muskelpartien anspricht.
Diese Übung nenne ich ‚Stuhlprobe‘ (geht aber auch mit einem Hocker) und damit es keine etwaigen Verwechslungen gibt, hier die Anleitung:“
1. Abbildung „Stuhlprobe – aufrechte Position“
• entspannt und gerade in aufrechter Position sitzen
• Horn ansetzen
• erst aus-, dann tief einatmen, damit die Lungen möglichst komplett gefüllt werden und beim Maximum Luft anhalten und bitte die Schultern locker lassen bzw. nicht nach oben ziehen
2. Abbildung „Stuhlprobe – zurückgelehnte Position“
• mit dem Oberkörper ca. 45 Grad nach hinten lehnen, gegebenenfalls die Füsse hochheben, oder beschweren
• und nun blasen – was immer man möchte: Fanfarenphrasen, Radouxphrasen, Tonübungen, etc.
Kontrolle: Hatte ich ein besseres Ergebnis?
Denn ist alles korrekt ausgeführt, ist das Ergebnis fast immer besser als zuvor. Wenn nicht, hatte man vorher schon eine gute Technik. Sonst geht man die einzelnen Punkte noch einmal genau durch, um es beim nächsten Versuch zu perfektionieren.
Ein häufiger Fehler: Das zu späte Einatmen in der bereits zurückgelehnten Position. Achtung! Dies ist die Position der Muskulatur für das Blasen bzw. die Abgabe der Luft. Für die Einatmung sollten die Bauchmuskeln unbedingt entspannt sein, was für das Maximum des Lungenvolumens am besten in aufrechter Sitzposition funktioniert.
Bei der zurückgelehnten Position werden ganz automatisch die notwendigen Muskelgruppen angesprochen, vom Hals bis tief in den Rumpf, um eine optimale Kontrolle über die Luftsäule zu erhalten und um diese so zu komprimieren, dass ein kompakter Ton entsteht.
Die 3. und 4. Abbildung zeigen mögliche Fehlhaltungen
Im nichttrainierten Zustand beginnen die verschiedenen angespannten Muskeln immer mal wieder zu zittern. Mit fortschreitendem Training hört das aber auf.
Die ‚Stuhlprobe‘ macht es möglich, die richtigen Muskelgruppen gleichzeitig und gleichmäßig anzuspannen, ohne sich dabei selbst körperlich wehzutun.
Es wird dann noch eine Herausforderung sein, das Gelernte von der sitzenden in die stehende Position zu übertragen – dazu mehr im Blog
„Grundlagen und Atmung Teil 2“ !
Das Blasen der Trompe kann regelmäßiges (möglichst tägliches) Training der Haltemuskulatur (Rücken-, Hals- und Bauchmuskeln) unterstützen. Hier einige mögliche Übungen dazu:
Noch eine Anmerkung: die in diesem Blog vorgestellte Übung funktioniert natürlich nicht nur für Frauen. Es zeigt sich lediglich, dass die Männer etwas bessere körperliche Voraussetzungen als Frauen für das Trompe-Blasen haben.
Ein Hinweis zum Trompe-Blasen allgemein: das Blasen der Trompe kann sehr anstrengend sein, wie eine neue Sportart, an die sich der Körper erst gewöhnen muss. Anfänger, die eine eher schlechte körperliche Konstitution haben, sollten ggf. zuvor einen kurzen Check-Up beim Arzt machen lassen.
Viel Spass beim Üben!
PS: Die IT freut sich über Erfahrungsberichte und Anregungen.